Heilende Seelsorge

Unser Selbstverständnis in der Krankenhausseelsorge

„Menschen helfen Menschen“. Die Frauen und Männer der Krankenhausseelsorge verstehen sich als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im System Krankenhaus mit seinem großen Auftrag, für die kranken Menschen zu sorgen. Wir helfen mit, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Patienten sich verstanden, angenommen und geborgen fühlen. Wir wollen in diesen krisenhaften Situationen Gesprächspartner sein, Hoffnung stärken, die Patienten ermutigen, ihre Ressourcen zu entdecken, und ihnen so zu helfen, diese Krisensituation zu bestehen und zu verarbeiten. Die mitbetroffenen Angehörigen wollen wir ebenfalls einbeziehen und begleiten. Wir wissen um die hohen Anforderungen und Belastungen der Menschen in medizinisch-pflegerischen Berufen. Auch ihnen wollen wir offene Gesprächspartner sein und sie in ihren spirituellen Haltungen stärken. Mit ihnen wollen wir interdisziplinär an der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens und für eine ganzheitliche Medizin und Pflege arbeiten.

Jesus lebte eine starke Zuwendung zu den Kranken und sein Wort „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36) macht deutlich, wie sehr er sich mit den Kranken identifizierte. Seine Hinwendung zu den Kranken soll in unserer Kirche fortleben. Wir sind durch unsere Kirche beauftragt und betrachten uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gottes in seinem Heilswillen für die Menschen. Durch unser persönliches Da- und Mitsein, durch stärkendes und tröstendes Wort, durch Ritus und Sakrament soll den Menschen die Nähe eines guten und treuen Gottes erfahrbar werden, der zu uns steht und will, dass wir das Leben haben.

Wir wählen eine Option für die „Armen“ im Krankenhaus, für die besonders Hilflosen, für die Einsamen, die psychisch Kranken, die Alten, die sozial Schwachen. Wir setzen uns für einen umfassenden Schutz der Menschenwürde und Menschrechte ein. Wir wollen besonders den Schwerstkranken und Sterbenden beistehen, wir wollen personell und strukturell mithelfen, damit Patienten menschenwürdig und gegebenenfalls christlich sterben können.

Zum Helfen gehört eine Befähigung. Wir wollen uns stetig weiterbilden, unser Wissen verbreitern und vertiefen, unsere Erfahrungen reflektieren, teilen und weitergeben. Wir beteiligen uns am nationalen und internationalen Entwicklungsprozess der Krankenhausseelsorge. Wir tragen aber auch Sorge für unser eigenes gesamtmenschliches Wohlbefinden, achten auf unsere Grenzen. Wir pflegen die Wurzeln unseres Glaubens und unserer Spiritualität und wir sind bereit, uns von Gott immer tiefer in seine Liebe zu uns Menschen hinein nehmen zu lassen.

Wir wollen hohen menschlich-ethischen Erwartungen entsprechen. Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Achtsamkeit, absolute Verschwiegenheit, Vertrauen, Zusammenarbeit, Respekt und Toleranz soll unser tägliches Arbeiten prägen.

Geschichte der Krankenhausseelsorge

Krankenhausseelsorge am Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz

Hundertfünfzigjahrjubiläum

Das Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz blickt heute auf eine nahezu 150-jährige Geschichte zurück. 1863 erging am 13. Jänner die kaiserliche Genehmigung zur Errichtung der medizinischen Fakultät und erfolgte am 1. November die Übernahme des Allgemeinen Krankenhauses in die Landesverwaltung. Damit war im Gebäudekomplex um das Haus Paulustorgasse 8 das Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz entstanden. Seine Vorgängereinrichtung, das staatliche Allgemeine Krankenhaus, war fünfundsiebzig Jahre zuvor als erstes weltliches Krankenhaus in Graz in Betrieb gegangen.

Krankenhausseelsorge in der Paulustorgasse

Die Antoniuskirche in der Paulustorgasse bildete den geistlichen Mittelpunkt des Krankenhauses. Seit seiner Gründung bot hier ein Kuratbenefiziat den Patienten geistliche Hilfe. Eine zweite Benefiziatenstelle wurde 1841 eingerichtet, als die ersten Barmherzigen Schwestern nach Graz kamen, um die Krankenpflege am Allgemeinen Krankenhaus zu übernehmen. Für nicht katholische Patienten rief man damals je nach Bedarf einen Seelsorger des jeweiligen Glaubensbekenntnisses herbei.

Hundertjahrjubiläum: Erlöserkirche

Die Planung des Krankenhausneubaues am heutigen Standort sah von Anfang an auch den Neubau eines Gotteshauses vor. Am Nordende der zentralen Hauptallee sollte er einen markanten Blickfang bilden. Um die Jahrhundertwende entstandene erste Pläne zeigen – nachdem es um diese Zeit noch keine Jugendstilkirchen gab – eine neugotische Kapelle. Die Umplanung im modernen Stil folgte dem Vorbild der Wiener Otto-Wagner-Kirche am Steinhof (Schlusssteinlegung 1907). Die Idee zur Umplanung lieferte der Architekt Leopold Cerny (1870–1924). Die Grazer Kirchenpläne schuf sein Kollege Franz Gabrić (1877–1941). Sie sahen hundertneunzig Sitzplätze vor, was der Zahl der Barmherzigen Schwestern zum Zeitpunkt der Eröffnung des Krankenhausneubaues entsprach. 1909 entstand der Rohbau und 1910 kam es Festlegung des Patroziniums „Salvator mundi“ (Heiligster Erlöser). Nach einem Preisausschreiben Anfang 1912 für ein Altarblatt zum Thema Krankenheilung (Matth. 11,28) entschied sich der Landesausschuss für den Entwurf von Alfred Schrötter von Kristelli (1856–1935). Gemeinsam mit seinem Sohn Hans Schrötter von Kristelli (1891–1965) fertigte er im Frühjahr 1912 das Gemälde im Kirchenraum an. Fürstbischof Dr. Leopold Schuster segnete am 20. Mai 1912 zur Eröffnung des Krankenhausneubaues die Kirche ein. Drei Tage danach begann die Übersiedlung von mehr als tausend stationären Patienten vom alten an den neuen Standort, welche Maßnahme über zwei Monate in Anspruch nahm.

Hundertjahrjubiläum: Evangelische Krankenhausseelsorge

Bald nach der Grundsteinlegung zur Erlöserkirche beantragte das Grazer evangelische Presbyterium eine evangelische Kultusstätte im Krankenhausneubau. Der Anteil evangelischer Patienten war damals auf 2,7 Prozent angestiegen. Die Idee der Nutzung der Erlöserkirche als Simultankirche wurde nicht realisiert, stattdessen ein eigener Betraum nebst Sakristei beim Haupteingang zum Direktionsgebäude (Auenbruggerplatz 1) eingerichtet und am 13. Oktober 1912 durch den steirischen Senior Dr. Karl Eckardt eingeweiht. An zwei Sonntagen im Monat feierte hier seither der evangelische Krankenhausgeistliche Julius Schacht (1871–1964) den Gottesdienst. Diese Tradition endete 1942 mit der Enteignung des Betraumes. Nach Kriegsende dienten verschiedene Hörsäle als Ersatz, bis ab 1987 mit der neu erbauten Lukaskapelle beim Chirurgiehochhaus (Auenbruggerplatz 29) wieder eine eigene evangelische Kultusstätte im Landeskrankenhaus zur Verfügung stand.

Katholische Krankenhauspfarre

Der katholische Krankenhausgeistliche Dr. Matthäus Winter (1871–1949) war 1910 zum sechzehnten leitenden Kuratbenefiziaten des Krankenhauses berufen worden. Bereits während der Bauzeit der Erlöserkirche, die anfänglich noch der Dompfarre zum heiligen Ägydius angehörte, bemühte er sich um die Errichtung einer eigenen Krankenhauspfarre. Diese kam schließlich kraft eines Ordinariatserlasses vom 29. Jänner 1919 zustande, welcher die Erhebung des Kuratbenefiziums zur selbstständigen „Pfarre zum Heiligsten Erlöser im Landeskrankenhaus in Graz“ verfügte. Seit der Krankenhauseröffnung 1912 befinden sich die Kanzlei- und Wohnräume des Kuratbenefiziums bzw. der Pfarre im zweiten Stock des Direktionsgebäudes am Beginn der Hauptallee.

Alltag im Ausnahmezustand

Die Zahl der sieben Kliniken vor hundert Jahren ist mittlerweile auf zwanzig angewachsen. Seit den ersten drei in den sechziger Jahren begonnenen Hochhausbauten und dem Beginn des Projektes LKH 2000 am Ende der achtziger Jahre prägen zahlreiche Neubauten das Klinikumgelände. Der Gesamtbelag, welcher um 1960 mit über 3000 Betten jenen des Wiener Allgemeinen Krankenhauses überflügelte, entspricht heute wieder ziemlich genau den 1600 Betten von 1912 – allerdings bei wesentlich niedrigerer Verweildauer. Die außergewöhnlichen Rahmenbedingungen im Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz versprechen Tag für Tag spannende und einzigartige Begegnungen mit Menschen im Ausnahmezustand.

Dr. Norbert Weiss

 

Das Zeichen der Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge der Steiermark, Diözese Graz-Seckau